Blockchain optimiert Abwicklung von Schuldscheindarlehen
Mit der Blockchain lässt sich die Abwicklung von Schuldscheindarlehen nicht nur deutlich vereinfachen und beschleunigen, sondern sie bietet überdies mehr Prozess-Sicherheit, Kosten-Transparenz sowie mehr Optionen für Investoren und Unternehmen. Erste Pilotgeschäfte wurden jetzt auf privaten Blockchains abgewickelt.
Das Schuldscheindarlehen (SSD) hat in den letzten Jahren für die Unternehmensfinanzierung wesentlich an Bedeutung gewonnen. Rund 28 Mrd. Euro wurden 2019 mittels 160 Transaktionen an Schuldscheindarlehen platziert. Rund 16 Prozent mehr als im Vorjahr und in etwa das dreifache Volumen verglichen mit 2009. Neben diesen wachsenden Finanzmärkten sind in den vergangenen Monaten eine Reihe neuer, digitaler Plattformen entstanden, die digitale Services rund um die Begleitprozesse der Schuldscheinemission anbieten.
„Es lassen sich für Schuldscheindarlehen alle Prozesse digitalisieren“, sagt Christoph Steinbrich, Geschäftsführer DEBTVISION GmbH. „Für die Vermarktung hat sich der Plattformansatz bewährt und für die darauf folgende Abwicklung bietet die Blockchain viele überzeugende Mehrwerte.“
Denn im Schuldscheingeschäft finden sich noch traditionell zahlreiche manuelle bzw. ineffiziente Prozesse und Schnittstellen zwischen Darlehensnehmer, Arrangeur und Investoren. Bislang experimentierten einige Initiativen mit unterschiedlichen Plattform-Lösungen. Wobei unter anderem auch die Blockchain-Technologie für die Abwicklung eines Schuldscheindarlehens zum Einsatz kommen soll.
Komplette Digitalisierung ohne Medienbrüche
Das Finanzinstrument Schuldscheindarlehn birgt durch die Digitalisierung ein großes Potenzial hinsichtlich der Vereinfachung und Beschleunigung der Prozesse. Insbesondere in der Phase der Abwicklung entstehen viele zeitaufwändige und händische Vorgänge wie zum Beispiel Datenerfassung, Abgleiche per Fax, Ausdruck des Schuldscheins auf Papier, Versand der Urkunden per Post , Geschäftsbestätigungen über den Postweg sowie Lagerung bei der Verwahrstelle oder im Tresor des Gläubigers.
In einer ersten Phase beschränkte sich die Digitalisierung von Schuldscheindarlehen auf den Frontend-Bereich bzw. die Vermarktung des Finanzinstruments. Die eigentliche Abwicklung des Schuldscheins und damit der gesamte Backend-Prozess erfolgte zu jener Zeit ausschließlich noch manuell. Mittlerweile kann die gesamte Abwicklung – exklusive Zahlungsverkehr – in einer Blockchain abgebildet werden.
„Der Zahlungsverkehr ist im Moment noch nicht digitalisierbar“, so Steinbrich. „Die führenden Notenbanken arbeiten zwar weltweit an diesem Thema, doch es werden dazu erst mittel- bis langfristig digitale Währungen bereitstehen. Dann könnte über eine Blockchain binnen Sekunden die Aus- oder Zinszahlung erfolgen.“
Mit der Blockchain ist nun neben einer effizienten Abwicklung vor allem auch eine fälschungssichere Dokumentation der Prozesse möglich, inklusive der Beurkundung mittels einer elektronischen Signatur. Auf sogenannten dezentralen Kontobüchern (distributed ledgers) lassen sich Transaktionen automatisch und unwiderruflich verbuchen. Vorgänge dieser Art machen im Prinzip sogar eine Bank oder einen Notar obsolet. Für abgewickelte Pilotgeschäfte auf privaten Blockchains gibt es aktuell erste Beispiele, respektive von DEBTVISION mit der LBBW als Hauptgesellschafter und finledger. Hinter finledger stehen die Finanzinstitute DekaBank, dwpbank, DZ BANK und Helaba.
„Die Teilnehmer profitieren zudem von einer verifizierten Gültigkeit des Schuldscheins, indem beispielsweise jedwede Änderungen durch die weiteren Teilnehmer bestätigt werden müssen und wodurch eine Manipulation auszuschließen ist“, unterstreicht Markus Neukirch, Vorstand IT und Operations, dwpbank. „Hinzu kommt, dass das System über eine Interoperabilität mit einer Front-Office-Plattform verfügt und jederzeit auf zukünftige Anforderungen erweitert werden kann.“
Digitale Plattformen und Blockchain
Die Schuldscheindarlehn-Abwicklung erfolgte in diesen Pilotprojekten dezentral über eine Blockchain-basierte Plattform. Das heißt, das Schuldscheindarlehen wird mithilfe eines digitalen Netzwerks ohne zentrale Steuereinheit sicher und transparent abgewickelt – von der Datenerfassung bis zur Erstellung der Urkunden. Jeder der vier Akteure betreibt dafür einen Knoten (Node), also einen Punkt innerhalb des Netzwerks, der quasi einen Zugang zur Plattform ermöglicht und an dem Daten erstellt, übertragen oder empfangen werden können.
„Für jeden Schuldschein wird ein Hashwert angelegt“, erklärt Thorsten Braun, Gruppenleiter Operations, OTC Derivate & Schuldscheindarlehen, der DZ BANK. „Bei einem elektronischen Schuldschein können die beteiligten Parteien jederzeit den aktuellen Stand des Scheins abrufen – und das 24 Stunden an sieben Tagen pro Woche. Ein Verlust von Unterlagen bzw. Daten im Laufe des Prozesses ist im Grunde unmöglich.“
Für die Akteure eines Schuldscheindarlehns entstehen durch die Blockchain viele Vorteile: Auf Grund der effizienten Prozesse reduzieren sich die Gesamtkosten. Diese Ersparnisse können dann an die Emittenten (Schuldner) weitergegeben werden und führen so zu einer Verminderung seiner Finanzierungskosten. Darüber hinaus können durch die digitale Plattform mehr Investoren und Emittenten in kürzerer Zeit zielgerichteter adressiert werden, was wiederum dazu beträgt, das Emissionsvolumen zu vergrößern.
Während infrage kommende Emittenten in der Regel einer Prüfung ihrer Bonität unterzogen werden, sind Investoren meist beim Betreten der Plattform schon bereit, ein Schuldscheindarlehn zu niedrigen Risiken zu kaufen. Die digitale Übergabe von Unterlagen und Dokumentationen beschleunigt den Gesamtprozess. Ist eine Urkunde ausgefertigt, ist sie sofort für alle Akteure einsehbar und kann auch im Falle eines Rückkaufs digital ungültig gemacht werden. Das entspricht einem immensen Effizienzgewinn für das Back-Office.
„Bei einem Schuldscheindarlehen muss für den Vermarktungsprozess rund vier Wochen veranschlagt werden“, so Steinbrich. „Für die anschließende Abwicklung sind im herkömmlichen Ablauf rund sieben bis acht Arbeitstage erforderlich – mit der Blockchain nur drei bis vier Tage.“
Auf Grund dessen können digitale Schuldscheindarlehen bereits ab 10 Mio. Euro ohne Begrenzung nach oben hin möglich sein. Herkömmliche Schuldscheindarlehen rangieren meist zwischen 50 und 500 Mio. Euro. „Die Plattform erweckt vor allem das Interesse bei Kunden, die viele Schuldscheine handeln“, betont Markus Neukirch, Vorstand IT und Operations, dwpbank. „Für diese Kunden ergeben sich hier besonders hohe Effizienzgewinne. Davon unabhängig wollen die Kunden wissen, was hinter finledger steckt und warum sich führende Banken im Schuldscheingeschäft hierfür zusammengetan haben.“
Verschiedene Ansätze der Digitalisierung
Bei der digitalen Abbildung für Schuldscheindarlehen sind drei verschiedene Geschäftsmodelle zu nennen: Beim ersten Modell handelt es ich um eine digitale Plattform, die von Banken selbst betrieben werden. Eine Einbindung von spezialisierten FinTechs findet nicht statt. Die zweite Variante sieht eine digitale Plattform vor, welche ausschließlich von FinTechs ohne Mitwirkung von Banken betrieben wird. Die Technologie-Unternehmen wollen für dieses Geschäftsmodell den Wertschöpfungsprozess der Banken zu effizienteren Konditionen anbieten.
Das dritte Modell baut auf die Kooperation von FinTechs und Banken. Die Prozesse sollen digital, kostensparend und effizienter werden. Die Netzwerke der Banken werden strategisch integriert, um möglichst viele Investoren für die Unternehmen zu gewinnen. Obwohl die Banken eine wichtige Funktion als Ratgeber und Vertrauensvermittler sowie im Prozess als Türöffner zu Investoren übernehmen, ist es noch offen, ob der digitale Schuldschein mit oder ohne Intermediäre wie zum Beispiel auch Notare oder Rating-Agenturen auskommt.
Den Artikel finden Sie auch auf Blockchain Insider.